Saturns Abwehrmechanismen – Selbstschutz oder Gefängnismauern?

In der traditionellen Astrologie wurde Saturn vorrangig als Übeltäter gesehen, im Mittelalter sogar als Teufel dämonisiert. Die saturnbesetzten Bereiche im Horoskop sind zwar nicht gerade diejenigen, auf die man sich mit jupiterhafter Begeisterung stürzt, aber die heutige psychologische Astrologie zeigt auf, wie man mit diesem Prinzip, mit den Schwierigkeiten, Ängsten und Hemmungen in diesen Lebensbereichen arbeiten kann.
Im Geburtshoroskop jedes Menschen findet sich Saturn in einem Zeichen und einem Haus, nur die Aspektierungen zu persönlichen Planeten oder zu den Achsen sehen unterschiedlich aus. Ein einzelnes Trigon zwischen Sonne und Saturn bedeutet vermutlich eine geringere Herausforderung als eine Aspektfigur aus Sonne, Venus und Mars in Quadraten und Opposition zu Saturn, da das Trigon zu den „fließenden“ Aspekten gehört und für gewöhnlich mit den entsprechenden Themen besser umgegangen werden kann. Quadrate und Oppositionen dagegen beschreiben eine Spannung und konflikthafte Situation zwischen zwei Prinzipien und verlangen nach aktiver Anstrengung, damit Entwicklung stattfindet und eine Lösung in Form einer neuen Zugangsweise gefunden wird. Außerdem muss Saturn auch im Kontext des gesamten Horoskops gesehen werden – ein Sonne-Saturn-Trigon in einem sehr feurigen Horoskop „erdet“ und verleiht Bodenhaftung, es kann sehr selbstbeschützend wirken und gesunde Grenzen setzen, während es in einem ohnehin schon erdhaften und saturnischen Horoskop vielleicht noch mehr zu einer schon vorhandenen Schwere und Ernsthaftigkeit beiträgt.

Jedes Zeichen- und Planetenprinzip hat bestimmte Mechanismen, um das zu schützen, was ihm am wichtigsten ist. Im Fall von Saturn werden Strategien entwickelt, die unsere besonders verletzlichen Stellen schützen sollen, jene psychischen Bereiche, in denen wir einen Mangel empfinden, wo wir uns unsicher, unbeholfen oder unzulänglich fühlen, weil wir dort etwas nicht gelernt haben, oder wo wir Begrenzungen und Frustrationen erleben, die von außen kommen oder zu kommen scheinen. In Verbindung mit Saturn herrscht das Gefühl vor, dass einem etwas verweigert wurde, was wohl meistens auch realen Lebenserfahrungen entspricht. Dann hat man Saturn in Form von realen Beschränkungen oder Verboten erfahren, die ursprünglich mit Ängsten anderer zu tun hatten. In weiterer Folge können solche Ängste dann verinnerlicht werden und zur eigenen Unsicherheit beitragen.
Gesunder Selbstschutz ist natürlich sinnvoll, wenn etwa tatsächlich gefährliche oder schädigende Situationen richtig eingeschätzt werden, wenn dort Grenzen gezogen werden, wo sie nötig sind. Saturn neigt aber zu typischen Schutzmechanismen – in der Psychologie als Abwehrmechanismen bezeichnet –, die sich in einer vollständigen Vermeidung verletzbarer Lebensbereiche äußern können, was umso schmerzlicher ist, wenn im Horoskop dort auch noch wesentliche Lebensantriebe wie Sonne, Mond, Venus oder Mars auftauchen. Andererseits könnten „angenehmere“ Konstellationen im selben Bereich auch als Triebfeder wirken und das Individuum leichter in den saturnbesetzten Bereich hineinziehen. Generell laufen die von Saturn gekennzeichneten Angelegenheiten Gefahr, unentwickelt zu bleiben und zu verkümmern, solange man sich nicht damit auseinandersetzt, solange man nicht trotz Verletzbarkeit und Unsicherheiten Schritte in die jeweiligen Lebensbereiche hineinzusetzen bereit ist.

Betrachtet man Saturn nach dem Zeichen, in dem er steht, dann könnte es Saturn im Widder schwerfallen, die Initiative zu ergreifen und sich zu behaupten, Saturn im Stier könnte Schwierigkeiten damit haben, sich (materiell) sicher und geborgen zu fühlen, Saturn in den Zwillingen eine Hemmung spüren, sich verbal mitzuteilen, und Saturn im Krebs könnte es schwerfallen, sich erwünscht und emotional angenommen zu fühlen, um einige Beispiele zu nennen. Auf seine Hauspositionen bezogen, fühlt Saturn sich im fünften Haus vermutlich unsicher im kreativen Selbstausdruck oder gehemmt, wenn es darum geht, sich selbst zu präsentieren oder ins Rampenlicht zu treten. Im zehnten Haus hat der Betreffende vielleicht Ängste, im Beruflichen zu scheitern, was zu großer Verbissenheit führen kann, im elften Haus könnte es Unzulänglichkeitsgefühle in Gruppen oder im Zusammensein mit Freunden geben.
Um Saturn individuell zu deuten, ist es wichtig, ihn in seiner Zeichen- und Hausstellung sowie in seinen Aspekten zu anderen Planeten zu sehen, vor allem zu Sonne, Mond, Merkur, Venus oder Mars. In den Aspekten, also auch in Aspekten, die Saturn zu persönlichen Planeten bildet, liegt grundsätzlich die größte psychologische Dynamik, in den Konjunktionen und Spannungsaspekten die größte Herausforderung an die eigene Entwicklung. Auf einzelne Saturnaspekte soll aber in späteren Artikeln näher eingegangen werden.

Solange man mit Saturn noch nicht zu konstruktiveren Ausdrucksformen gefunden hat, beziehen sich die mit ihm verbundenen Ängste auf Gefühle von Mangel oder Unvermögen: die Angst, in bestimmten Situationen abgelehnt, belächelt oder lächerlich gemacht zu werden, die Angst, etwas falsch zu machen oder vor der Wirkungslosigkeit eigener Worte und Handlungen (vor dem Misstrauen anderer), davor, aufgrund von Kommunikationsmängeln falsch verstanden zu werden, die Angst vor dem Scheitern in persönlich wichtigen Dingen. Um diesen Ängsten aus dem Weg zu gehen, kann die Auseinandersetzung mit bestimmten Lebensbereichen einfach vermieden werden, oder man weicht auf Nebenschauplätze aus, die eine geringere persönliche Bedeutung haben und wo ein Scheitern etwas weniger schmerzt. Saturns Schutzmechanismen laufen meist völlig unbewusst ab. Sie könnten beispielsweise zu abweisendem Verhalten in Beziehungen führen, das dazu dient, nicht selbst verletzt zu werden.
Neben der Vermeidung kann Saturn auch einen Mechanismus der Überkompensation bewirken, damit empfundene Unzulänglichkeit nicht gezeigt werden muss. Ein Mensch mit Saturn im elften Haus gibt sich in Gruppensituationen dann vielleicht auf gezwungene Weise besonders laut und gesellig, jemand mit Saturn im fünften Haus könnte sich bei jeder Gelegenheit übertrieben in den Mittelpunkt drängen, und ein Saturn im Krebs oder im vierten Haus könnte auf übertrieben sentimentale Weise Heimatliebe oder Gefühlstiefe demonstrieren. Mit diesem Mechanimus wird nur vorgegeben, etwas gut zu können oder sich in einem Bereich sicher zu fühlen, wo eigentlich Ängste und Hemmungen empfunden werden.
Auch der Stolz kann als saturnischer Abwehrmechanismus gesehen werden. Im Gegensatz zu einem natürlichen Stolz auf die eigene Person im Sinne von Selbstachtung kann saturnischer Stolz dazu führen, dass die Unterstützung oder Zuneigung anderer abgelehnt werden, dass man lieber eigene Nachteile in Kauf nimmt, als sich vor jemand anderem schwach zu zeigen.

Vermutlich kommt es häufig vor, dass Menschen sich ihr Leben lang nicht mit ihren Saturnthemen beschäftigen. Individuelle Horoskopkonstellationen sind unterschiedlich, was den Grad der Herausforderung betrifft (so wie auch das Leben uns unterschiedlich mitspielt), und manche Sphären des Lebens lassen sich besser vermeiden als andere oder besser nach außen projizieren. Aber der Preis für die Vermeidung ist immer die Unterdrückung wichtiger, lebendiger Persönlichkeitsanteile, die die Person vollständiger, abgerundeter machen würden. Was kann man also tun, um Saturn zur Bewegung und zur Entwicklung zu verhelfen?
Das Bewusstmachen der Ängste in den jeweiligen, individuell verschiedenen Bereichen ist sicher ein erster Schritt, um mit Saturn konstruktiv arbeiten zu können. Liz Greene schreibt davon, den eigenen Saturn nicht mehr als zugefügten Mangel zu interpretieren, sondern als etwas, was uns besonders wichtig ist und woran wir folglich auch am meisten arbeiten müssen, um es zu erreichen. Man übernimmt damit selbst die Verantwortung für die eigene Weiterentwicklung, was sehr viel Sinn macht, denn hinter den Ängsten und Blockaden verbergen sich die Wünsche im jeweiligen Lebensbereich, wie zum Beispiel nach Kommunikation, vertrauensvollen Beziehungen oder schöpferischer Selbstverwirklichung, danach, etwas gut zu können, was man von Haus aus nicht besonders gut kann. Wahrscheinlich kommt man also nicht umhin, das zu tun oder einfach nur zuzulassen, wobei man sich verletzbar fühlt, sich zu Schritten zu überwinden, obwohl man Angst hat, sich dabei zum Narren zu machen. Vielleicht hilft dabei die Akzeptanz, dass man sich manchmal eben zum Narren macht und das zum Leben gehört, vielleicht hilft auch die Bereitschaft zur Selbstironie gerade dort, wo etwas schmerzt.
Wenn man sich also in die Dinge hineinwagt, wird man das vermutlich ohnehin mit saturngegebener Vorsicht tun. Wie so oft, geht es auch hier um das richtige Maß, darum, sich nicht massiv unter Druck zu setzen, sich aber trotzdem zu fordern. Wenn auf diese Weise dann kleinere oder größere Erfolge erlebt werden, kann langsam Vertrauen entstehen. Wenn es doch einmal einen Misserfolg oder eine Enttäuschung gibt, hat man zumindest ein Stück Wirklichkeit dazugelernt, man kann sich sammeln und wieder einen Schritt machen. Wie leicht jedem diese bewussten Schritte der Selbstüberwindung fallen, hängt neben der Saturnstellung von vielen anderen Faktoren ab. Saturn ist aber bekannt dafür, Hindernisse überwinden und immer wieder weitergehen zu können.
Saturnblockaden haben viel damit zu tun, sich selbst im Weg zu stehen, die Dinge zu starr zu sehen. Im Umgang mit der eigenen Saturnstellung könnte man versuchen, die Punkte herauszufinden, an denen man eine Weiterentwicklung selbst verhindert, und dort versuchen, lockerer und flexibler zu werden. Man könnte versuchen, sich selbst vergangene Fehler zu verzeihen – oder nur vermeintliche Fehler, denn wo Saturn ist, ist meist auch die Orientierung an gesellschaftlichen Regeln und Maßstäben sehr hoch, und möglicherweise bewertet man sich selbst dort viel strenger, als es andere tun würden. Man könnte sowohl mit sich selbst nachsichtiger werden als auch mit anderen.
Und schließlich gelangt man zu Fähigkeiten und Stärken, die man sich selbst erarbeitet hat, die zu inneren Kraftquellen werden, auf die man sich stützen kann. Der gereifte Saturn bringt in den entsprechenden Lebensbereichen seine Qualitäten der Beständigkeit, der Verlässlichkeit und Verantwortlichkeit ein. Letzten Endes lohnen sich die Mühen, die man auf sich nimmt.

Für Interessierte eine Leseempfehlung: „Abwehr und Abgrenzung“ von Liz Greene, vor allem das Kapitel über Saturn.

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