Plutotransite: Loslassen und Erneuerung

Zu Beginn die technischen Details: Pluto ist ein „Langsamläufer“, was seinen Transiten eine Dauer von mehreren Jahren geben kann. Während Sonne oder Merkur in einem Jahr alle Zeichen des Tierkreises durchlaufen haben, benötigt Pluto dafür 248 Jahre. In einem Zeichen bleibt er zwölf bis 31 Jahre. Im Transit steuert ein Planet auf den jeweiligen Punkt im Geburtshoroskop zu, bildet den ersten exakten Aspekt, wandert weiter, berührt den Punkt in der Rückläufigkeit ein zweites Mal, bevor er – wieder direktläufig – ein drittes Mal über den Punkt wandert und sich entfernt. Ein punktuelles Ende eines Transits und seiner Erfahrungen lässt sich eigentlich nicht bestimmen, auch wenn dafür verschiedene Gradbereiche von einem bis zu zehn Grad nach dem letzten exakten Aspekt angegeben werden. Entwicklung ist ja niemals abgeschlossen, und in der Nachwirkung des Transits können die Erfahrungen noch mehr integriert werden. Bewusste Veränderungen, die man inhaltlich mit einem Transit in Verbindung bringen kann, können auch noch viel später vollzogen werden.
Wenn Pluto im Transit wesentliche Punkte des Geburtshoroskops berührt, zeigt das Veränderungen an. Welche Veränderungen das sind, wo sie stattfinden und wie die damit verbundenen Erfahrungen erlebt werden, hängt davon ab, welche Planeten und Konstellationen vom Transit berührt werden – und wie sehr man sich gegen nötige Veränderungen sträubt oder wie sehr man zum Loslassen bereit ist.
Das Quadrat des laufenden Pluto zu seiner eigenen Geburtsstellung erleben diejenigen, die zwischen 1930 und 1980 geboren wurden, irgendwann zwischen Ende dreißig und Ende vierzig. Menschen, die früher oder später geboren sind, erleben den Transit meist später, was durch Plutos unterschiedliche Verweildauer in einem Zeichen zustande kommt. Das Pluto-Pluto-Quadrat hat mit Umstellungen, Umwälzungen, mit herausfordernden Lebenssituationen zu tun. Am deutlichsten wird der Transit sicher dann, wenn der Geburtspluto in Konjunktion, Quadrat oder Opposition zu anderen Geburtskonstellationen steht, weil dann gleichzeitig zum Beispiel auch ein herausfordernder Pluto-Sonne- oder Pluto-Venus-Transit stattfindet.

Plutos Erfahrungen begegnet man am besten, indem man loslässt und fließen lässt, indem man den Wandlungsprozess akzeptiert und nicht erwartet, dass die Dinge bis in alle Ewigkeit beim Alten bleiben werden. Bestimmte Strukturen, die bisher feste Bestandteile des eigenen Lebens waren, tragen einen nicht mehr oder werden zur Belastung, weil man sich in eine andere Richtung weiterentwickelt. Wenn Beziehungen oder Aktivitäten verlorengehen, die wertvoll waren, sollen und dürfen solche Verluste betrauert werden, aber ein krampfhaftes Festhalten am Bisherigen könnte noch mehr schmerzen und würde darüber hinaus das behindern, was der Sinn der Pluto-Erfahrungen ist – die Entwicklung und das Wachstum des Lebens. Indem manches auf dem Weg zurückgelassen wird, entsteht auch Platz für Neues.
Die Schwierigkeit besteht oft darin, herauszufinden, welche Lebensverhältnisse es wirklich sind, von denen man sich verabschieden muss. Das ist ein langer Prozess, und vermutlich besitzt niemand die Voraussicht, schon am Anfang eines Plutotransits zu wissen, was übrigbleiben wird und in welcher Form. So gehen Beziehungen vielleicht nicht vollständig verloren, sondern werden verwandelt und entstehen auf einer anderen Ebene neu. Beruflich könnte man sich von alten Tätigkeiten verabschieden und dafür neue Aufgaben übernehmen.

Pluto ist bekannt dafür, vergrabene Gefühle ins Bewusstsein zu bringen, wie ein Pflug, der einen Acker umgräbt. Er wühlt vieles auf, und dadurch bekommt man die Gelegenheit, sich mit alten Situationen und Emotionen wirklich zu beschäftigen und sie schließlich hinter sich zu lassen. Über schmerzhafte Erfahrungen der Vergangenheit ist man vielleicht einfach hinweggegangen, Gefühle wie Wut oder Trauer wurden verdrängt. Unter Pluto könnte man diese alten Gefühle – vielleicht anlässlich aktueller Situationen – wieder zu spüren bekommen. Dann kann es hilfreich sein, Ausdrucksmöglichkeiten zu finden, mit Menschen, die sich dafür eignen, darüber zu sprechen, zu schreiben oder sich über kreative Kanäle auszudrücken. Auch wenn es dabei nicht um angenehme Gefühle geht, sollte man sich nicht dazu zwingen, über Erlebtes schnell hinwegzusehen oder in einem Lippenbekenntnis alles auf einen Schlag zu verzeihen, denn das würde bedeuten, sich selbst und die eigenen Gefühle nicht ernst zu nehmen. Irgendwann kommt aber der Punkt, an dem man sich genug mit Vergangenem befasst hat. Unter Pluto kann man dazu neigen, sich endlos in vergangene Erlebnisse, Verletzungen und in Emotionen zu verstricken, wo es eigentlich schon längst um ein Loslassen des Alten geht. Und dieses Loslassen gelingt vielleicht am besten, indem man sich den Dingen widmet, die man im Leben wirklich tun will.
Die Wut über eine erlittene Verletzung kann zwar vollkommen berechtigt sein, aber ein alter Groll, der immer noch im Inneren rumort, bindet viel psychische Energie, die eigentlich für die Entfaltung und Weiterentwicklung des persönlichen Lebens benötigt wird. Ungelöste emotionale Belastungen aus der Vergangenheit können den freien Fluss der positiven Energien, die ins Leben hinauswollen, behindern.
Indem man vergangene Situationen aus der Erinnerung wieder durchlebt, kann man sie mit der Zeit auch aus anderen Blickwinkeln betrachten, man kann dadurch milder werden. Zu versuchen, sich in andere hineinzuversetzen, um deren Beweggründe besser zu verstehen, macht es leichter, sich vom Groll zu lösen, als wenn man am Verurteilen festhalten würde. Darüber hinaus kann Empathie zwar nachsichtiger machen, auf der anderen Seite bedeutet ein Verstehen aber nicht automatisch ein Entschuldigen eines Verhaltens. Es gibt Verhaltensweisen, die verletzend oder grenzüberschreitend sind, die man nicht zu entschuldigen braucht. Aber man kann sich irgendwann selbst sagen: Es war zwar nicht in Ordnung, aber es ist lange vorbei, und ich kümmere mich nicht mehr darum.
Auch solchen Erfahrungen und Gefühlen begegnet man am besten, indem man sie fließen lässt. Letztendlich ist nichts von Dauer, alles befindet sich im Fluss und in ständiger Veränderung. Wenn sich Erinnerungen und damit verbundene Gefühle in den Vordergrund drängen, setzt man sich damit auseinander. Wenn man innerlich wieder zur Ruhe kommt, wendet man sich anderen Dingen zu. Pluto-Prozesse können anstrengend sein, durch die Auseinandersetzung mit starken Gefühlen ebenso wie durch konkrete Anforderungen im äußeren Leben. Daher sollte man bewusst auf Ausgleich und Erholung achten, ob durch Bewegung in der Natur, Meditation, bestimmte Musik oder anderes. Man braucht Dinge, die guttun, seinen ganz persönlichen Seelenbalsam.
Pluto wird allgemein auch mit den Themen Macht bzw. Ohnmacht assoziiert, und beides kann sich als Erfahrung im Transit zeigen, in aktuellen Situationen, in der Erinnerung an Ungelebtes und Verpasstes, im Erleben von Hintergangenwerden oder Ungerechtigkeiten, verbunden mit Gefühlen der Chancen- und Machtlosigkeit. Gleichzeitig entsteht das Bedürfnis, mehr Macht über das eigene Leben zu gewinnen, indem man sein Leben in die eigenen Hände nimmt und indem man Beeinflussung von außen und Fremdbestimmung immer weniger duldet.
Auch mit tiefsitzenden Ängsten, auch vor existenzieller Bedrohung, kann man während solcher Zeiten konfrontiert werden. Sie können eine Begleiterscheinung größerer Veränderungen sein. Sie können aber auch damit verbunden sein, dass ein altes Selbstbild, die vertraute Ich-Identität zugunsten von Wachstum und Wandel aufgegeben werden muss – etwas Vertrautes „stirbt“ und kommt nicht wieder zurück.

Pluto hat die Neigung, die Dinge kontrollieren zu wollen. Gerade im Transit kann man sich darin üben, den Dingen ihren Lauf und den Entwicklungen Zeit zu lassen, Vertrauen zu haben und nichts zu dramatisieren. Plutotransite können sich anfühlen, als ginge man durch einen dunklen Tunnel, ohne zu sehen, was kommt. Viele hätten hier vermutlich gern eine Zeitmaschine, um in fernerer Zukunft nachsehen zu können, welchen Ausgang bestimmte Angelegenheiten genommen haben, aber die gibt es natürlich nicht. Man kann nur auf der Strecke weitergehen und das tun, was zu tun ist bzw. das, was für einen selbst stimmig ist. Vielleicht muss man sich auch zugestehen, vorübergehend nicht an der Spitze der eigenen Leistungsfähigkeit zu sein, eine Zeitlang weniger gut zu „funktionieren“, obwohl das nicht zwingend so sein muss. In einer Gesellschaft, die von ihren Mitgliedern im Allgemeinen konstantes Funktionieren erwartet (egal, ob Menschen überhaupt an dem für sie richtigen Platz arbeiten), muss man sich, soweit das möglich ist, bewusst erlauben, in erster Linie auf sich selbst zu achten. Es ist ein natürlicher Prozess, den man durchläuft.

Unter Pluto soll nicht nur Altes losgelassen werden, auch das Neue will ins Leben treten und sich verwirklichen. Weil das Neue und Unbekannte aber auch Angst machen kann, besteht die Gefahr, an alten Mustern und Gewohnheiten festzuhalten und sich Veränderungen zu widersetzen. In den vertrauten Abläufen entwickelt man sich zwar vielleicht nicht weiter, sie mögen vielleicht nicht besonders spaßig sein, aber man fühlt sich dort zumindest sicher. Ein Teil des eigenen Selbst wünscht sich Veränderung, ein anderer Teil lässt sie nicht zu. Entweder braucht es dann etwas Zeit für die innere Entwicklung, oder man überwindet sich in einem Willensakt zu ungewohnten Schritten – oder man kann es sich nicht aussuchen und wird ins kalte Wasser geworfen.
Da Pluto auch für Intensität und Leidenschaftlichkeit steht, besteht eine mögliche Ausdrucksform seiner Transite darin, sich voll und ganz für eine Sache zu engagieren und sich damit auch einen Lebensinhalt zu schaffen, der einen ganz und gar ausfüllt. Plutos kollektiver Natur entsprechend, könnte man damit einer Gemeinschaft oder der Gesellschaft dienen. Auf der anderen Seite können Menschen während seiner Transite auch wie besessen von einer Idee oder einem Vorhaben sein, das sie nicht bewusst gewählt haben.
Plutotransite sind Zeiten, die die Möglichkeit zur positiven Wandlung bieten, die auch ein Gefühl für die eigene Macht und Stärke geben können, wenn man bereit ist, tief genug zu graben und sich auf die nötigen Prozesse einzulassen.

4 Gedanken zu „Plutotransite: Loslassen und Erneuerung

  1. Liebe Julia,
    danke für deinen Text!
    Da ich selber gerade einen Plutotransit erlebe, weiß ich wie wahr deine Worte sind.
    Ich habe Lilith, Mond und Sonne in Konjunktion zueinander und der Pluto läuft hin und her und es fühlt sich an, als ob es nicht aufhört.
    Es ist wahr, der Pluto holt alte, noch nicht verarbeitete Gefühle und Themen einfach hoch. In den Widerstand zu gehen, macht es nur schlimmer.
    Wie eine alte eine zerkratze Langspielplatte, die immer wieder die gleiche Stelle abspielt… Ich würde mir sehr wünschen, diese Melodie nicht mehr zu hören. Aber irgendwann wird die Nadel aus der Rille gehoben und auf einem neuen Lied abgesetzt. Auf diese Melodie des (neuen) Lebens bin ich sehr gespannt.
    Mir ist heute dazu ein Spruch von Marc Aurel in den Sinn gekommen:
    „Nicht den Tot sollten wir fürchten, sondern dass wir nie begonnen haben zu leben.“
    In diesem Sinne: Es lebe das Leben!
    Viele Grüße aus dem hohen Norden.

    • Liebe Bea,
      ja, Pluto kann sich anfühlen wie eine endlose Schleife – bis zum neuen Lied.
      Der Spruch von Marc Aurel gefällt mir in diesem Zusammenhang sehr gut.
      Viele Grüße,
      J. A.

  2. Danke, hab ich gerade in meinem Leben. Hat mir SEHR geholfen.
    Und ein erstaunliche Reaktion darauf meinerseits. DANKBARKEIT GENAU dafür, wie es eben ist.
    Herzliche Grüße Claudia

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